Prof. Dr. Michael Pohl

Die Bedeutung der Reputation für das Liquiditätsrisiko von Banken

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Einleitung

Liquiditätsrisiken wurde in der Vergangenheit durch Wissenschaft und Praxis in schwankendem Maß Beachtung geschenkt. Vor allem seit der Finanzmarktkrise 2007/2008 wurde jedoch auch regulatorisch ein verstärktes Augenmerk auf Liquiditäts­risiken gelegt. Mit der Liquidity Coverage Ratio (LCR)1 und der Net Stable Funding Ratio (NSFR)2  wurden zwei international weitgehend harmonisierte Kennzahlen durch den Basler Ausschuss entwickelt, die sicherstellen sollen, dass Banken genug Liquidität vorhalten, um einen kurzfristigen Liquiditäts­schock zu überstehen und sich nicht zu stark auf kurzfristige (Kapital­markt‑)Refi­nan­zierung abzustützen. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus Maßnahmen mit dem Ziel, eine stabile und möglichst langfristige Finanzierung sowie eine hohe Liquiditäts­haltung sicherzustellen. Damit verbunden ist die Reduktion der Notwendigkeit des Einschreitens der Zentralbank als „lender of last resort“ bei gleichzeitiger Reduktion des Insolvenzrisikos einer Bank. Ergänzt werden die Kennzahlen durch qualitative Anforderungen sowohl an die Banken als auch an die Aufsicht, die in den Principles for Sound Liquidity Risk Management and Supervision3 niedergelegt sind.  

Betrachtet man die jüngsten Bankenkrisen, stellt sich unweigerlich die Frage, inwiefern die verfolgten Ziele erreicht werden konnten, was die primären Treiber des Liquiditäts­risikos sind und wie sich Liquiditäts­risiken weiter reduzieren lassen. Jüngste Banken­krisen wie der Fall der Silicon Valley Bank oder der Credit Suisse zeigten, dass das Risiko eines Bank Run weiterhin besteht – wenn auch nicht mehr in Form der klassischen Schlangen vor den Filialen, sondern in Form digitaler Abzüge als sogenannter „digitaler Bank Run“.4 Der Kipppunkt liegt dabei häufig darin, dass der Reputations- und damit verbundene Vertrauens­verlust ein Ausmaß erreichen, bei dem Kunden die Zukunfts­fähigkeit eines Instituts infrage stellen. Der vorliegende Beitrag fokussiert sich daher auf das Reputationsrisiko als originäres und das Liquiditätsrisiko als derivatives Risiko.

1 Liquiditätsrisiken in Banken

1.1 Liquiditätsrisikodefinition

Das Liquiditätsrisiko lässt sich aus Bankperspektive im Wesentlichen in ein objektbezogenes und ein bankbezogenes Risiko unterteilen. Das objektbezogene Liquiditäts­risiko bezieht sich dabei auf das Risiko, gehaltene Aktiva nicht oder nur unter Hinnahme von Wertabschlägen am Markt liquidieren zu können. Dabei kann unterschieden werden zwischen Primärliquidität (Noten und Zentralbank­guthaben), hochliquiden Aktiva (Staatsanleihen und Anleihen mit gutem Rating), Aktiva, welche gegebenenfalls über Umwege wie Verbriefungen liquidiert werden können (unter anderem Hypotheken), sowie Aktiva, die in der Regel nur mit einem zeitlichen Vorlauf liquidiert werden können und deren Wert durch eine Krise der Bank auch negativ beeinflusst werden kann (zum Beispiel Liegenschaften, Beteiligungen).

Neben dem objektbezogenen Liquiditäts­risiko resultiert für eine Bank das Liquiditätsrisiko aus dem Refinanzierungsrisiko, durch welches die Mittelaufnahme am Geld- und Kapitalmarkt nicht oder nur zu schlechten Konditionen möglich ist, und dem Zahlungs­mittel­bedarfs­risiko, das sich primär aus dem Abrufrisiko von Kundeneinlagen, den vertraglichen Fälligkeiten der Passivseite, dem Neugeschäft der Aktivseite und liquiditätswirksamen Auswirkungen aus der Erfolgs­rechnung ergibt.5 Die wesentlichen Bestimmungs­ursachen sowie die hierarchische Gliederung des objekt- und des bankbezogenen Liquiditäts­risiko­begriffs in den entscheidenden Punkten lassen sich dabei in der in Abbildung 1 dargestellten Form zusammenfassen. Dabei ist im Allgemeinen erst dann ein bankbetriebliches Liquiditätsrisiko schlagend geworden, wenn ein unerwarteter Liquiditäts­bedarf mit der Unmöglichkeit der Refinanzierung und/oder Veräußerung von Aktivpositionen – also dem objekt­bezogenen Liquiditäts­risiko – zusammenfiel.

Abbildung 1:  Primäre Bestimmungsursachen von objekt- und bankbezogenem Liquiditätsrisiko6

1.2 Bedeutung des Liquiditätsrisikos für Banken

Die besondere Bedeutung des Liquiditätsrisikos für Banken resultiert insbesondere aus der betriebenen Fristentransformation. Hier besteht nicht nur die Not­wendigkeit, dass Banken Zahlungsbegehren jederzeit erfüllen müssen, sondern es ist auch erforderlich, Auszahlungs­wünsche zu erfüllen, die auf keiner vertraglich verpflichtenden Basis beruhen. Sollte dies der Bank nicht möglich sein und es im Bereich der täglich fälligen Verpflichtungen zu Zahlungsstockungen kommen, resultiert daraus für die Bank nicht nur ein Reputationsverlust, sondern üblicherweise auch eine regelrechte Abhebungswelle, ein sogenannter „Bank Run“.7 Dabei kann festgestellt werden, dass es für das Eintreten eines „Bank Run“ in der Regel noch nicht zu Zahlungs­stockungen gekommen sein muss, sondern dass bereits Gerüchte über einen möglichen Liquiditäts­engpass genügen, damit die Bank schließlich im Sinne einer „Self-fulfilling Prophecy“ in einen Liquiditäts­engpass gerät.8 Entsprechende „Bank Runs“ finden dabei nicht mehr durch Schalterstürme statt, die anhand entsprechender Schlangen vor den Filialen sichtbar werden, sondern eher durch digitale Abhebungswellen, die durch Social-Media-Meldungen verstärkt werden können. Dies wurde speziell in den Fällen der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse im Jahr 2023 deutlich.9

Der Auslöser für die Sanierung oder Abwicklung einer Bank bleibt damit im Allgemeinen die Liquiditäts­ausstattung, und der geflügelte Satz

„Liquidity does not matter, until it matters, then it is the only thing that matters!“

behält seine Gültigkeit.

1.3 Regulatorische Umsetzung

Liquiditätsrisiken werden als eines der wesentlichen Risiken des Bankbetriebs – sowohl bankintern als auch regulatorisch – seit Langem beachtet. So wurden in Deutschland beispielsweise bereits 1931 die ersten Liquiditäts­vorschriften für Spar- und Girokassen und 1934 dann für alle Kreditinstitute eingeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden diese durch die Kreditrichtsätze konkretisiert.10 Bis zur Finanzkrise 2007/2008 waren die qualitativen Liquiditäts­anforderungen weitgehend in Form der auf § 11 KWG basierenden, bereits 1961 eingeführten Liquiditäts­grundsätze II und III in Kraft, welche im Jahr 2000 durch den Grund­satz II11 ersetzt wurden. Die Kennzahl wies dabei jedoch deutliche Schwächen – wie etwa in der Abdeckung von Risiken aus Derivattransaktionen – auf.12

Nach der Finanzkrise wurde das BCBS durch die G20 im Rahmen der Basel-III-Reformen zur Erarbeitung von international harmonisierten Liquiditäts­standards mandatiert. Der erste Entwurf der Liquidity Coverage Ratio (LCR) wurde dabei 201013 und der erste Entwurf der Net Stable Funding Ratio (NSFR) 201414  verabschiedet.

Die LCR, welche nach internationalem Fahrplan 2015 in Kraft getreten ist, soll sicherstellen, dass die Bank über einen 30‑tägigen Stress­horizont hinreichend liquide ist. Hierfür werden die hochliquiden Aktiva (HQLA) ins Verhältnis zu den Netto-Liquiditäts­abflüssen für ein vordefiniertes Szenario, das in eine Parametrisierung von Zu- und Abfluss­raten überführt wurde, gesetzt. Die sich ergebende Kennzahl (die LCR) soll über 100 % liegen, wobei den Banken eine Übergangsfrist zur Erfüllung mit stufenweise ansteigenden Anforderungshöhen gewährt wurde. Das Szenario und die darauf beruhende Parametrisierung unterstellen eine deutlich adverse Entwicklung des Instituts – wie auch des Gesamtmarkts – unter anderem mit einer Ratingverschlechterung um 3 Stufen, dem Verlust des Zugangs zu Markt­finanzierungen mit Ausnahme von gegen HQLA besicherten Finanzierungen und kundengruppenspezifischen Einlagenabflüssen. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass Fälle eintreten, bei denen eine Bank mit Abflüssen konfrontiert ist, die diese Annahmen deutlich übersteigen. Ebenso ist die Risikodefinition auch im Fall der LCR nicht umfassend, weshalb sie auch schon im Basler Rahmenwerk durch Monitoringtools ergänzt wurde.15 In einzelnen Ländern, wie dem Vereinigten Königreich und der Schweiz, werden die Anforderungen für einzelne Banken bereits durch systematische Zuschläge erhöht, die durch die LCR nicht abgedeckte Risiken erfassen.16

Die NSFR besitzt gegenüber der LCR mit einem Jahr einen längeren Horizont und hat zum Ziel, dass die Banken ein stabiles Finanzierungs­profil im Verhältnis zu ihren bilanzwirksamen und außerbilanziellen Geschäften aufweisen. Zur Berechnung werden Aktiva mit vorgegebenen Faktoren für die erforderliche stabile Finanzierung (RSF) und Passiva mit Faktoren für die verfügbare stabile Finanzierung (ASF) multipliziert. Der sich aus der Division der ASF durch die RSF ergebende Faktor – die NSFR – soll dabei über 100 % liegen. Durch eine entsprechend hinreichend stabile Finanzierung soll die Wahr­scheinlich­keit verringert werden, dass Störungen in der Refinanzierungs­möglichkeit einer Bank ihre Liquiditäts­ausstattung in einem Maß schwächen, welches das Ausfallrisiko erhöht und möglicher­weise zu einer breiteren systemischen Belastung führen könnte.17 Die NSFR wurde zu Beginn 2018 nach inter­nationalem Fahrplan zu einem bindenden Standard, wobei die nationalen Umsetzungen zum Teil deutlich verzögert erfolgten.18

Die Faktoren der NSFR stellen gegenüber der LCR grundsätzlich kein Stressszenario dar, sondern spiegeln das Ziel einer strukturellen Finanzierungskennzahl wider. Entsprechend kann auch eine NSFR von über 100 % nicht sicherstellen, dass eine Bank in jedem Fall hinreichend stabil finanziert ist.

Die regulatorischen Kennzahlen und Beobachtungskennzahlen sind somit zwingend durch ein solides internes Liquiditäts­risiko­management und einen regulatorischen Aufsichtsprozess zu ergänzen, wie es auch schon in den Principles for Sound Liquidity Risk Management and Supervision von 2008 festgehalten ist.19 Die Notwendigkeit der Überwachung von Reputationsrisiken fand dort ebenfalls bereits ihren Niederschlag.20

2 Reputationsrisiko und dessen Überwachung

2.1 Reputationsrisiko und dessen Bedeutung in Banken

Das Reputationsrisiko wird den nicht finanziellen Risiken zugeordnet. Für den Begriff der Reputation finden unterschiedliche Definitionen Anwendung, im Allgemeinen kann darunter jedoch der aus Wahr­nehmungen der Anspruchs­gruppen resultierende öffentliche Ruf bezüglich Kompetenz, Integrität und Vertrauenswürdigkeit verstanden werden.21 Die EBA definiert darauf aufbauend das Reputationsrisiko als das aktuelle oder künftige Risiko in Bezug auf die Erträge, Eigenmittel oder Liquidität eines Instituts infolge einer Schädigung des Rufs des Instituts.22

Für Banken ist die Reputation und das mit ihr verbundene Vertrauen der Kunden aufgrund der gegebenen Informationsasymmetrie von besonderer Bedeutung, da der Kunde die Bonität der Bank in der Regel nur eingeschränkt beurteilen kann. Folglich kommt der Über­wachung und Steuerung von Reputationsrisiken bei Banken eine wichtige Rolle zu. Als Herausforderung stellt sich dabei die Tatsache dar, dass die Anzahl potenziell reputations­gefährdender Ursachen unbegrenzt ist und entsprechend wesentliche Faktoren der Reputation herauszuarbeiten sind. 


2.2 Faktoren des Reputationsrisikos

Die öffentliche Wahrnehmung der Reputation eines Instituts wird häufig stark negativ von Einzelereignissen wie Gerichts­urteilen gegen eine Bank, eingetretenen Verlustereignissen oder dem Abschluss von Geschäften geprägt, die aus gesell­schaftlicher Optik zweifelhaft sind. Die Gesamtreputation ergibt sich aber aus einer Verknüpfung diverser Faktoren, von denen die zentralen im Nachfolgenden kurz thematisiert werden.

Bei den gesellschaftlichen Anforderungen handelt es sich um eine bankextern determinierte Einflussgröße. Wenn unternehmerisches Handeln als nicht kompatibel mit den gesellschaftlichen Norm­vorstellungen erachtet wird, wirkt sich dies negativ auf die Reputation aus. Herausfordernd ist hierbei, dass die gesellschaftlichen Anforderungen nicht als homogen zu betrachten sind, sondern sich innerhalb sozialer Gruppen der Gesellschaft, aber auch einzelner Länder unterscheiden. Dies wird heute hauptsächlich im Kontext der Kreditvergabe im Energiesektor deutlich, wo beispielsweise Finanzierungen von Atomkraftprojekten in unterschiedlichen Ländern gesellschaftlich deutlich heterogen gewertet werden. Ebenso sind Diskussionen über angemessene Vergütungen deutlichen Zyklen unterworfen.

Neben den gesellschaftlichen Anforderungen, die der Auslegung bedürfen, sieht sich die Bank auch juristischen und regulatorischen Anforderungen ausgesetzt. Die öffentlich werdende Nichteinhaltung regulatorischer Anforderungen oder gar der Verlust von Gerichts­verfahren aufgrund der Nichteinhaltung gesetzlicher Vorschriften verschlechtern den Ruf einer Bank oder – wie nach der Finanzkrise festgestellt – der gesamten Branche deutlich. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um eine Sequenz von Ereignissen handelt, hinter denen die Öffentlichkeit ein bewusstes Ignorieren gesetzlicher Normen vermutet.

Aus Sicht der Eigen- und Fremdkapitalgeber der Bank ist die Gewinn­situation der Bank einer der zentralsten Treiber der Reputation, stellt er doch die Möglichkeit der Rückgewähr von der Bank anvertrauten Mitteln in der Zukunft sicher. Eine Bank mit einer bereits aktuell schwachen Kapitalisierung oder einer durch absehbare Verluste in der Zukunft schwachen Kapitalisierung wird unweigerlich eine Verschlechterung der Reputation erfahren.

Als weiterer zentraler Faktor für das Reputationsrisiko sind die Mitarbeitenden zu betrachten. Hierbei stehen vor allem die Anstellungsbedingungen im Fokus. Eine angemessene Vergütungs­politik über alle Geschäftsbereiche und Jurisdiktionen kann einerseits das nötige Commitment gegenüber der Bank sicherstellen sowie bei einer nicht unangemessen hoch erscheinenden Ausgestaltung gleichzeitig auch die gesellschaftliche Wahr­nehmung gewährleisten. Zugleich weist das Reputations­risiko im Bereich des Personals eine Wechsel­wirkung auf. Einerseits kann es bei einer guten Reputation einfacher gelingen, qualifizierte Mitarbeitende anzuwerben, andererseits gefährdet schlecht qualifiziertes Personal aufgrund steigender Prozessrisiken die Reputation der Bank.

Abschließend zu nennen sind die Öffentlichkeitsarbeit und Krisen­kommunikation. Während diese im positiven Fall vertrauensbildend wirken und in der Lage sein können, schlagend gewordene Risikofaktoren wie auferlegte Strafen oder erlittene Verluste zu mitigieren, können sie im negativen Fall auch reputations­schädigend  sein. Dies tritt vornehmlich dann ein, wenn ihnen die notwendige Glaub­würdigkeit fehlt. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine Bank mit einem Slogan wirbt oder Aussagen macht, welche weder der aktuellen Wahr­nehmung durch die Öffentlichkeit entsprechen noch durch künftige Ereignisse bestätigt werden.

2.3 Messung und Steuerung des Reputationsrisikos

Der Messung des Reputationsrisikos und der damit einhergehenden Erkennung der Reputations­veränderung kommt eine entscheidende Funktion zu. So stimmen Eigen- und Fremdbild oft nicht überein, und eine Bank realisiert eine schlechte oder sich verschlechternde Reputation gegebenenfalls zu spät. Um dem zu begegnen, können Reputations­indizes zum Einsatz kommen, die das Erfüllungsniveau der zuvor thematisierten Reputations­risiko­faktoren in einer Kennzahl verdichten.23 Ebenfalls sind die von der EBA im Rahmen des SREP Erwähnung findenden Indikatoren für Reputations­risiken, wie die Anzahl der Sanktionen amtlicher Stellen, die laufenden Unter­suchungen, Medien­kampagnen von Verbraucher­verbänden, Kunden­beschwerden, negative Ereignisse bei Vergleichs­instituten, die Reputation des Managements oder auch „Markt-Indikatoren“ zu beachten.24 Als Früh­warn­indikatoren können auch Analysen von Stimmungs­veränderungen gegenüber der Bank Anwendung finden, die auf den Meldungen auf Social-Media-Plattformen oder einem Medien­monitoring aufbauen. Dabei werden automatisiert Text­meldungen dahin gehend untersucht, ob sie eine positive, negative oder neutrale Stimmung dem Unternehmen gegenüber wider­spiegeln.25 Potenzielle Reputations­krisen können damit frühzeitig erkannt werden.

Im Rahmen des Reputationsrisikomanagements kann entsprechend der klassischen Systematisierung der Risikomanagementmaßnahmen26 zwischen der ursachen- und der wirkungsbezogenen Risikobegrenzung unterschieden werden. Die Risikovermeidung als ursachenbezogene Begrenzung ist speziell in der fortlaufenden Sicherstellung einer möglichst positiven Ausprägung der zuvor genannten einzelnen Risikofaktoren zu sehen. Ein hohes Maß an Kunden­zufriedenheit beispielsweise dadurch sicherzustellen, dass Kundenbeschwerden systematisiert bearbeitet werden und eine positive Wahr­nehmung des Preis-Leistungs-Verhältnisses der erbrachten Dienstleistung entsteht, kann die Eskalationsgeschwindigkeit von Reputations­krisen verlangsamen. Ebenfalls ist prozessseitig sicherzustellen, möglicher­weise reputations­schädigende Geschäfte bereits im Voraus zu vermeiden. Im Fall der Deutschen Bank wurde zum Beispiel ein Reputationsrisiko-Rahmenwerk erarbeitet, das potenziell reputations­gefährdende Entscheidungen begleitet, sowie ein „Group Reputational Risk Committee“ installiert, an welches potenziell reputationsgefährdende Sachverhalte eskaliert werden können, die zuvor durch regionale Reputationsrisikokomitees nicht abschließend beurteilt werden konnten. Ebenfalls obliegt es dem Committee, den „Erkenntnisgewinn aus gemachten Erfahrungen“ sicherzustellen.27

Die wirkungsbezogene Begrenzung ist hauptsächlich in der Unternehmens- und Krisen­kommunikation zu sehen. Um einer Spirale negativer Reputations­veränderung möglichst frühzeitig entgegenzuwirken, sollte die Unternehmens­führung hier insbesondere über eine offene Kommunikation nach innen und außen Vertrauen schaffen und die Strategie zur Lösung der etwaigen Probleme klar darlegen. Vor allem gilt es, auch Krisen­kommuni­kations­pläne im Voraus vorzubereiten, die Belegschaft, speziell in Bereichen mit Kundenkontakt, regelmäßig zu schulen und Krisen­kommunikations­teams vordefiniert zu haben, die alle relevanten Bereiche der Bank abdecken oder kurzfristig involvieren können. Für die tatsächliche, aber auch die von außen wahrgenommene Qualität der Corporate Governance ist die Zusammensetzung und Effizienz der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrats von hoher Bedeutung.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sich die Reputationssituation der Finanzindustrie seit der Finanzkrise 2007/2008 wieder verbessert hat. Seit 1997 erstellt beispielsweise Korn Ferry zusammen mit dem Fortune Magazine anhand von neun Kriterien eine Liste der Unternehmen mit der stärksten Reputation. Hierbei bewerten Führungskräfte und Branchen­analyst:innen Unternehmen – vom Investitionswert über die Qualität des Managements und der Produkte bis hin zur sozialen Verantwortung und der Fähigkeit, Talente anzuziehen. Dabei hat es 2024 mit JPMorganChase eine Bank unter die Top 10 geschafft. Mit Goldman Sachs, Morgan Stanley und Bank of America gibt es drei weitere Banken unter den Top 50, was im Vergleich zur Marktkapitalisierung, wo gesamthaft nur drei Banken unter den Top 50 der Welt liegen, leicht überdurchschnittlich ist.28

3 Verknüpfung des Reputations- und Liquiditätsrisikomanagements

Das Liquiditätsrisikomanagement fokussierte sich aus einer Treasury-Perspektive in der Vergangenheit stark auf die Erfüllung der aus internen Risikomodellen und regulatorischen Kennzahlen resultierenden quantitativen Anforderungen und deren Optimierung. So wurde sichergestellt, dass die Bank, wie am Beispiel von LCR und NSFR dargestellt, genügend hoch­liquide Aktiva besitzt, um Liquiditäts­abflüsse decken zu können, oder eine hinreichend stabile Finanzierung aufweist. Das Kunden­verhalten wird bei den entsprechenden Szenarien häufig aus vergangenen Krisen abgeleitet und der Risikogehalt dabei beispielsweise über die Kunden­kategorisierung in Privat- oder Firmenkunden dargestellt. Die eigentlichen Risikotreiber können mit einem entsprechenden Vorgehen aber in den Hintergrund treten.

Eine dedizierte Auseinandersetzung mit der Reputation der Bank und den Reputations­risiko­treibern kann hier zentral sein. Das Kunden­verhalten in Stress­situationen kann sich bei einer Bank mit einem guten Reputationsmanagement, das sich der Einfluss­möglichkeiten auf die Kunden­wahrnehmung durch eine aktive und zielgerichtete Kommuni­kations­strategie bewusst ist, signifikant von jenem bei einer Bank ohne aktives Reputations­risiko­management unterscheiden. Abfluss­parameter sind damit zum Beispiel nicht mehr nur als szenariogegeben, sondern als aktiv durch die Bank beeinflussbar zu betrachten.

Auch regulatorisch wird die Verknüpfung von Reputations- und Liquiditäts­risiken vermehrt beachtet. So fließt entsprechend den Leitlinien der EBA im SREP das Reputations­risiko bei der Beurteilung der Liquiditäts­risikos explizit in die Beurteilung ein. Auch wird im SREP gefordert, dass Institute Stresstests durchführen, mit deren Hilfe sie die Wirkung des Reputationsrisikos zum Beispiel auf die Liquidität, die Finanzierungskosten oder auch den Zugang zu Korrespondenzbankdienstleistungen bewerten.29

Fazit

Während Liquiditätsrisiken über lange Perioden regulatorisch und seitens der Wissenschaft wenig Beachtung zukam, hat sich dies seit der Finanzkrise 2007/2008 geändert. Der Fokus lag dabei auf quantitativen Anforderungen in Form der LCR und der NSFR, welche durch qualitative Anforderungen an das Liquiditäts­risiko­management ergänzt wurden. Betrachtet man Banken mit Liquiditätsengpässen, so ist festzustellen, dass diese praktisch immer durch die Verknüpfung mehrerer Risiko­treiber verursacht werden, am Ende aber durch das gleichzeitige Schlagend­werden von Zahlungsmittelbedarfsrisiken, Refinanzierungs­risiken und objekt­bezogenen Liquiditäts­risiken zur Illiquidität führen.

Ein aktives Reputationsrisikomanagement, das die Faktoren der Reputation der Bank erarbeitet, das Reputationsniveau fortlaufend misst und über Steuerungs­maßnahmen aktiv eingreifen kann, stellt einen zentralen Baustein dar, um das Liquiditäts­risiko zu begrenzen und die Wahr­scheinlich­keit der Illiquidität einer Bank deutlich zu reduzieren. Dies ist insbesondere wichtig, da keine Bank, die ihrem Geschäftszweck der Risiko- und Fristentransformation gerecht wird, die jederzeitige Liquidität mit absoluter Wahrscheinlichkeit sicherstellen kann und daher immer auf Vertrauen der Kunden und Gegenparteien angewiesen ist. 


Die Ausführungen geben ausschließlich die Sicht des Autors wider und entsprechen nicht notwendigerweise der Sicht der Hochschule oder anderer Institutionen, für die der Autor tätig ist.

Über den Autor

Prof. Dr. Michael Pohl ist seit 2019 Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bankmanagement und Finanzmarktregulierung an der Steinbeis-Hochschule. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Bankenregulierung und der Liquiditätssteuerung in Kreditinstituten. Zudem ist er Mitarbeiter der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht im Bereich Risikomanagement.