Prof. Dr. Joachim Hasebrook

New Work als Motor für den Wandel

Owning Your Brand’s Social Community Drives More Shoppers and Sales


1 New Work: Die Idee

In vielen Unternehmen gibt es mittlerweile sogenannte „creative workspaces“, d. h. Denk- und Lernräume für Teams, um die Zusammenarbeit zu fördern.1  Nahezu jeder Möbelhersteller wirbt damit, dass mit seinen Möbeln Leistungs­verbesserungen erzielt werden können und dass New Work hauptsächlich darin bestehe, architektonisch und farblich ansprechende Arbeitsplätze mit multifunktionalen Möbeln bereitzustellen. New Work bedeutet jedoch mehr als nur räumliche Veränderungen.

Es geht darum, dass die auf effiziente Prozesse ausgelegte und hierarchisch aufgebaute Unternehmensorganisation mittlerweile oft an ihre Grenzen stößt. Diese Organisationsform ist zwar nach wie vor die günstigste Gestaltungsform von Netzwerken innerhalb der Unternehmen, weist aber ein zentrales Manko für die digitalisierte Wirtschaftsform auf: Sie ist zu langsam für Innovationsprozesse.2 Der Weg von Ideen zu neuen Produkten und Prozessen ist in einer hierarchischen Struktur oft so lang, dass Innovationen kaum noch umgesetzt werden. Umfassende und gut kontrollierte Längsschnittstudien zur wirtschaftlichen Wirkung von Teamarbeit bestätigen, dass durch konsequente Einführung von Teamarbeit in Industrie­unternehmen Fehlerraten um 38 % gesenkt und Leistungen um 20 % gesteigert werden konnten.3

Im regelmäßig erhobenen „U.S. Workplace Survey“wird deutlich, dass meist nur einzelne Faktoren wie Licht, Belüftung, Lärm untersucht werden, nicht aber die Zusammenhänge und deren kombinierte Wirkung auf die Arbeitsleistung.5 Systematische Forschungsergebnisse zeigen aber, dass genau der Zusammenhang entscheidend ist. Produktivitätsvorteile ergeben sich nur dann, wenn Arbeitsaufgaben und -prozesse zur Arbeitsplatzgestaltung, dem „Workplace Design“, passen.6

Innovative Firmen wie SAP, LinkedIn, Cisco oder Airbnb setzen auf vielfältige Angebote auf verschiedenen Ebenen mit offenen Flächen, Kleinstarbeitsplätzen (Cubicles), (Tele-)Konferenz- und Gruppenräumen in verschiedenen Größen und Bühnen für Präsentationen und Veranstaltungen. Einzelbüros, Großraum- und Kombilösungen sind passé.7 Der Beitrag von New Work besteht darin, Hierarchieorganisationen so weiterzuentwickeln, dass Innovationskompetenz, Innovationsoutput und Anpassungsfähigkeit von Unternehmen zunehmen. Tabelle 1 gibt einen Überblick über das herkömmliche Vorgehen und die neuen Trends von „New Work“.8

Früher/aktuell
Zukunftsorientiert/in Zukunft
Ortsgebunden, ortsspezifisch
Netzwerk unterschiedlicher Orte (z. B. Heim-, Miet- und Partnerarbeitsplätze)
Besitzer oder Langzeitmieter der Immobilie(n)
Kurzzeitmiete, „Pay-as-you-go“
Klar abgegrenzte Gebiete, eindeutige Organisations- und Hierarchiezuordnung („Territorialität“)
Allianzen, „shared“ (geteilter) und gemieteter Büroraum (z. B. kommerzielle Anbieter von Co-Working-Space)
Zugeschnitten auf Unternehmensmarke, Spiegel der gewachsenen Unternehmenskultur
Variable und zielgerichtete interne und externe Markenverwendung (z. B. Teams arbeiten für verschiedene Marken)
Formale, strukturierte Interaktion (z. B. Meetingstruktur, Mitteilungen/Schwarze Bretter)
Flexible Netzwerk- und Teamstrukturen, die schnell entscheiden und benötigte Ressourcen auf Zeit zusammenstellen
Physischer Raum, (meist) relativ ortsfeste Möblierung und (vielfach) mobile Technologie
Starke Teamkultur und Fokus auf Umsetzung, flexible Nutzung von physischem und virtuellem Raum (z. B. Kooperations­plattformen, Telekonferenzen)

Tabelle 1: Gegenüberstellung der herkömmlichen Arbeitsweise und Neuerungen durch „New Work“ (angelehnt an CABE, 2005, S. 10)

New Work bedeutet also, dass Arbeit zeitlich, räumlich und inhaltlich-methodisch flexibel wird. Doch das ist nicht ohne Tücken, wie z. B. empirische Befunde zur Wirkung räumlicher Flexibilität auf die Teamarbeit zeigen: Die schlechtesten Werte hinsichtlich Effizienz (z. B. Geschwindigkeit von Abstimmungen) und Effektivität (Leistungsmenge und ‑qualität) haben Teams, deren Mitglieder in demselben Gebäude, aber auf verschiedenen Stockwerken untergebracht sind. Nur internationale Teams, verteilt auf verschiedene Kontinente und Zeitzonen, weisen noch schlechtere Werte auf.9 Die besten Erfolgswerte haben Teams, die direkt zusammensitzen und solche, deren Mitglieder an verteilten Orten in derselben Stadt arbeiten.10 Die Erklärung für diese überraschenden Befunde ist, dass nahe beieinander, aber dennoch räumlich getrennt arbeitende Teams (wie die auf den verschiedenen Stockwerken) die Wirkung der physischen Trennung unterschätzen und sich daher nicht so sehr um die Zusammenarbeit bemühen wie verteilte Teams.11 Teams mit stark ausgeprägten Teamroutinen und einer gesicherten Beziehung zueinander weisen kaum nachteilige Distanzeffekte auf.12  Somit wird deutlich, dass im Homeoffice erfolgreiche Teamarbeit entstehen kann, denn virtuelle Teams mit einem hohen Grad an Teamroutinen und klarer Aufgabenteilung können deutlich besser sein als Teams, die nahe vor Ort zusammenarbeiten.13


1.1 New Normal für New Work

Doch natürlich spielen nicht nur räumliche Aufteilung und Gestaltung eine Rolle, sondern eine Vielzahl von Themen­bereichen, darunter Aspekte wie soziotechnisches System/Arbeits­umgebung, Team-/Arbeitscharakteristik (z. B. Projekt-, Produktions-, Hochrisiko-Team), Team-/Arbeitssteuerung (z. B. selbstgesteuert, selbstorganisiert), Team-/Arbeitsrollen (z. B. Teamführung) sowie Team-/Arbeits­anforderungen (z. B. Stress, Risiko).14 Spätestens seit der Coronapandemie hat sich die Arbeitswelt spürbar verändert: Es gibt mehr Heimarbeit und virtuelle Meetings, weniger Bürofläche und Dienstreisen.15 Viele sprechen schon von einem „New Normal“ der flexiblen, digitalen Zusammenarbeit und planen die Aufgabe von Büros in teuren Innenstadtlagen.

Viele Bürojobs können genauso gut im Homeoffice erledigt werden, sagen internationale Studien, und Psychologen empfehlen eine Mischung von etwa 2:3, d. h. 2 Tage allein im Homeoffice, zusammen 3 Tage vor Ort. Doch Faustregeln gelten nicht gleichermaßen für alle Unternehmen. Auch der Anteil an Pendlern und berufstätigen Eltern spielt für die Gestaltung von Arbeit eine Rolle. Kurz: Eine gute Pauschallösung für neue Arbeitsformen gibt es nicht. Aber es gibt Prinzipien, nach denen man sich richten kann und die in Abbildung 1 dargestellt sind. Prinzipien für „New Work“ können folgendermaßen zusammengefasst werden:

1

Behavior 

Voraussetzungen schaffen für konzentrierte Fokusarbeit, strukturierte Kommunikation, gemeinsames Lernen, informellen Austausch und Rekreation sowie Arbeitsräume, ‑technologien und ‑prozesse rund um diese zentralen Aktivitäten entwickeln.

2

Bricks

Auswahl und Flexibilität bei Räumen und Ausstattung ermöglichen, also z. B. Räume für große und kleine Teamtreffen sowie Ruhezonen und Kabinen für Stillarbeit einrichten.

3

Bytes

Technische Ausstattung und Infrastruktur installieren, die neben sicheren technischen Lösungen, z. B. für Videokonferenzen und Datenaustausch, vor allem Tools, Trainings und Hilfen für Teamarbeit sowie Kundenkommunikation bereitstellen.

4

Brave

Umstellungen brauchen Mut, und niemand ist zunächst begeistert, wenn z. B. Individualbüros entfallen, um durch flexible Lösungen ersetzt zu werden. Erfahrung zeigen: Man kann nicht durch Argumente von positiven Effekten der Veränderungen überzeugen, sondern muss Betroffenen genug Zeit lassen, um diese Verbesserungen erleben und annehmen zu können. Dafür organisiert das Beratungsunternehmen zeb z. B. Lernreisen an räumlich interessante Standorte und in zeb-Büros wie in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 1:  zeb-Handlungsschema für „New Work“ als „Activity-based Work Design“

1.2 Szenarien zur Umsetzung von „Activity-based Work Design“

Der Aufwand für mutige Lösungen ist hoch, aber er lohnt sich, wie unsere bisherigen Projekt­erfahrungen zeigen: Reduzierung von Betriebsflächen und Räumlichkeiten um ca. 30 %, ein 15 % geringerer Reinigungsaufwand (z. B. durch „Clean Desk“, wenn alle abends den Schreibtisch aufräumen), ein um 15 % reduzierter Energiebedarf durch weniger Bürofläche und weniger Fahrten dank Homeoffice, 10 % weniger Arbeitsausstattungskosten durch Einsatz mobiler Lösungen und Cloudspeicher, Halbierung der Reisekosten bei Kundenterminen und des Papierverbrauchs. Damit leistet „New Work“ neben finanziellen Einsparungen auch einen substanziellen Beitrag zum Umweltschutz. Tatsächlich zeigen unsere eigenen Projekt­erfahrungen und zahlreiche Beispiele aus Skandinavien und den Niederlanden, dass sich die anfänglichen Investitionskosten meistens nach zwei bis vier Jahren amortisiert haben.16

Mutige Lösungen im Hinblick auf die Flexibilisierung von Arbeit erfordern eine mutige Umsetzung: Nachhaltige Lösungen entstehen nicht allein am Computer im Architekturbüro, sondern vor allem durch aktive Beteiligung der Mitarbeitenden in allen Umsetzungsschritten. Nach unserer Erfahrung sollten daher Architektur­skizzen erst spät im Projekt diskutiert werden. Zu Beginn müssen vor allem die Aktivitäten geplant werden: Was wollen wir erreichen und welche Tätigkeiten sind dafür erforderlich? Wer muss mit wem zusammenarbeiten und welche Personen sollten dafür wie oft zusammenkommen? Erst wenn diese grundsätzlichen Fragen geklärt sind, können Lösungsvorschläge erarbeitet und diskutiert werden. Vorteilhaft sind drei oder vier unterschiedliche Architekturskizzen, angefertigt von kreativen und erfahrenen Architekturbüros. Dadurch können verschiedene Alternativen diskutiert und das Abgleiten in strittige Details vermieden werden.

Ein Beispiel für eine gelungene Umsetzung ist der „creative workspace“ der Unternehmens­beratung zeb in München: TABULARAZA by zeb (vgl. Abbildung 2). Großzügig geschnittene Arbeits- und Kreativräume sind um die Arbeitsschwerpunkte „Verstehen“, „Erleben“ und „Kreieren“ gestaltet. Darin eingebettet sind wenige „normale“ Büroarbeitsplätze und eine schalldichte Kabine für vertrauliche (Telefon-)Gespräche oder konzentrierte Stillarbeit. Teams nutzen diese Räumlichkeiten für Workshops, die zumeist aus drei Phasen bestehen: 1. Verstehen durch Impulse aus anderen Unternehmen und gegenseitigen Austausch, manchmal auch durch Besichtigungen vor Ort, 2. Erleben durch intensive Beschäftigung mit Kundenbedürfnissen anhand detailliert ausgearbeiteter fiktiver Kundenprofile (sog. „Personas“) und „Kundenreisen“ (engl. customer journey), in denen die „Herz- und Schmerzpunkte“ dieser fiktiven Kunden bei der Nutzung der Firmenangebote genauestens untersucht werden, sowie 3. Kreieren, indem die so gewonnenen Einsichten in Prototypen für neue Produkte oder Dienste umgesetzt werden, die direkt vor Ort mit potenziellen Kunden ausprobiert werden können.

Abbildung 2: Beispiel für einen „creative workspace“ für kreative Teamarbeit (TABULARAZA by zeb in München)

Der aktuelle Digitalisierungsschub stellt nicht nur herkömmliche Überzeugungen zur Präsenzarbeit infrage, sondern auch Konzepte zur Kundenberatung. Dabei stehen Neugestaltung und Zusammenlegung von Bankfilialen im Fokus. Es gibt großartige Konzepte für zukünftige Kunden- und Beratungszentren. Was dabei aber oft vergessen wird: Wo immer Bankkunden beraten werden, handelt es sich um Arbeitsplätze von Bankangestellten. Beeindruckende Entwürfe zu neu gestalteten Umgebungen, wie z. B. Indoorparks oder Shoppingmalls, sind für Kunden sicherlich attraktiv, aber als Arbeitsplatz von Bankmitarbeitenden völlig ungeeignet. Auch hier hilft „Behavior, Bricks, Bytes & Brave“: Beim Planen stehen die Aktivitäten und Absichten der Zielgruppen im Mittelpunkt, dies betrifft sowohl Kundschaft als auch Mitarbeitende. Es sollten verschiedene bauliche Entwürfe erstellt und die Menschen, die es betrifft, aktiv in die Planung einbezogen werden. Denn schon die Planung von „New Work“ ist ein Stück New Work mit starker Mitarbeiter- und Kunden­orientierung.17  Tabelle 2 fasst die wichtigsten Workdesigns in Bezug auf die konkrete Arbeitsplatzgestaltung zusammen.18

Art des Workdesigns
Inhalt/Ausgestaltung
Raumnutzung
Zuordnung von Räumen zu bestimmten Personen, dynamische Zuweisung von Räumen über Buchungssystem, flexible Buchung von Räumen durch die Mitarbeitenden (sog. „hoteling“), Mix aus Homeoffice und Nutzung von Firmenbüros
Zuteilung von Räumen und Raumausstattung (insb. Schreibtische)
Zuordnung von zur Aktivität passender Arbeitsumgebung bei akutem Bedarf (sog. „hot desking“), Suche nach passendem Arbeitsplatz auf vorherige Anfrage (sog. „free address“), in beiden Fällen: keine persönlichen Räume oder Statusausstattung (kein „Chefbüro“)
Nutzung von Ausstattung
Aktivitätsbasierte Nutzung von Schreibtischen (sog. „desk sharing“) und von IT (z. B. Videokonferenzraum), Ermittlung optimaler Nutzungs- und Bereitstellungsquoten (z. B. Schreibtische zu 40 % ungenutzt)
Individualisierung und „social analytics“
Bereitstellen von Arbeitsmitteln für mobiles Arbeiten für alle (z. B. Laptop, Headset), zahlreiche individuelle Anpassungen (z. B. höhenverstellbare Tische, Nutzung eigener Hardware), fortlaufende, individuelle Aktivitätsmessung (z. B. mit Smartphone oder „social badges“) zur Optimierung von Arbeitsumgebung und ‑abläufen

Tabelle 2: Zusammenstellung konkreter Umsetzungsformen verschiedener Arten des Workdesigns (vgl. auch Hasebrook et al., 2020)

2 Coronakrise als Motor der Veränderung

Eine tiefgreifende Veränderung von Team- und Arbeitsanforderungen sowie die deutliche Steigerung von Stress- und Risikoniveau waren während der COVID-19- bzw. Coronapandemie zu beobachten und haben vor allem den Anteil der Heim- und Telearbeit massiv erhöht.19 Die Beschleunigung der Digitalisierung und Transformation, insbesondere der Arbeitsabläufe und ‑methoden, findet in Finanzdienstleistungs­unternehmen ein widersprüchliches Echo: Einerseits wird von wirtschaftlichem Rückgang und teils willkommener Entschleunigung berichtet, andererseits von steigenden Leistungsanforderungen. In einer Studie wollten wir ein objektives Bild ermitteln, ob Anforderungen aus Sicht der Unternehmen zu- oder abgenommen haben, um welche Aspekte es sich dabei handelt und welche Unternehmen mit mehr Erfolg und Widerstandskraft durch die Krise kommen.

Dazu haben wir 176 Personen aus unterschiedlichen Unternehmen (50 % Finanz­dienstleister, 20 % Tourismus, 20 % Industrie, 10 % sonstige) anonym befragt, wie sie die mentale, körperliche und zeitliche Belastung vor und während der Coronakrise einschätzen. Hierfür haben wir ein Messinstrument eingesetzt, das die NASA für ihr Luft- und Raumfahrtprogramm in den 1980er-Jahren zur Erfassung von Arbeitsbelastung entwickelt hat, den NASA Task Load Index (TLX).20 Dieser wird heute weltweit in vielen Branchen eingesetzt und beruht auf umfangreichen Normwerten. Der für Einzelpersonen entwickelte Test wurde in den letzten Jahren um eine Fassung für Teams erweitert. Diese Fassung kam in unserer Studie zum Einsatz.21 Zusätzlich haben wir nach Faktoren gefragt, die laut wissenschaftlicher Metaanalysen erfolgreiche Teams auszeichnen, und erhoben, wie erfolgreich sich die Teams selbst bewerten. Zum Schluss wurden Aspekte ethischer, unterstützender Führung und soziodemografische Angaben erfragt.22


2.1 Auswirkung zunehmender Arbeitsanforderungen

Arbeitsanforderungen nehmen vor allem aufseiten der Teamarbeit zu (vgl. Abbildung 3). Dies bezieht sich sowohl auf höhere mentale und technische Anforderungen als auch auf eine zunehmende zeitliche Belastung der Teams. Die oft angeführte „Entschleunigung“ findet unserer Erhebung nach nicht statt: Es gibt eine deutliche Erhöhung der Belastung in Bezug auf fast alle Aspekte. Nur die individuellen körperlichen Anstrengungen und die Leistungs­anforderungen an Teams sind etwas gesunken. Finanzdienstleister unterscheiden sich nicht von den Werten anderer Branchen. Die beiden Kategorien „Höhe der Leistungsanforderung“ und „erforderliche Anstrengung zur Erreichung der Leistungsziele“ liegen für alle Branchen vor und während der Krise über der Norm.

Abbildung 3:  Verringerung vs. Anstieg der Arbeitsanforderungen während der Coronakrise (in % Veränderung vorher vs. nachher)

Im direkten Vergleich, ob Mitarbeitende von Finanzdienstleistern individuell und im Team entweder eine Verringerung oder einen Anstieg der Anstrengung erleben, zeigt sich: Eine Mehrheit von 56 % der Befragten aus der Finanzbranche lebt im Doppelstress mit gestiegenen persönlichen Anforderungen (70 %) und erhöhten Anforderungen an ihr Team (80 %), bei anderen Branchen leben 51 % mit einer solchen Doppelbelastung (vgl. Abbildung 4).

Abbildung 4:  Absinken vs. Anstieg von Arbeitsbelastungen während der Coronakrise bei Finanzdienstleistern (in % an Gesamt)

Uns hat interessiert, wie sich diese unterschiedliche Verteilung der Belastung auf den Erfolg der befragten Unternehmen auswirkt. Dazu haben wir um die Einschät­zung der folgenden Erfolgskriterien gebeten: Qualität der Arbeit, Innovations­fähigkeit, Motivation, Kundenfokus, Arbeitsklima und Spaß, Kooperation und Beteiligung der Mitarbeitenden. Doppelte Anstrengung („doppelter Stress“, gestrichelte Linie in Abbildung 4) führt zu schlechteren Werten in fast allen Erfolgskategorien von Teamarbeit (gestrichelte Linie in Abbildung 5). Effektive Teams („Engagierte“, durchgezogene Linie in Abbildung 4) zeigen vor allem Vorteile bei der Beteiligung der Mitarbeitenden und Qualität der Arbeit (durchgezogene Linie in Abbildung 5). Zur idealen Erfolgskurve (hinterlegte Fläche in Abbildung 5) ist es noch ein weiter Weg: Innovation, Motivation und vor allem Kundenorientierung haben durch die Krise nachgelassen.

Zudem haben wir die einzelnen Erfolgskriterien zu einem Gesamtscore verrechnet, indem wir in einer Faktoranalyse die erste Haupt­komponente bestimmt und die Einzelfaktoren entsprechend gewichtet und aufsummiert haben. Finanzdienst­leister erreichen einen Gesamtscore von 72 % für alle Erfolgskriterien, andere Branchen im Schnitt nur 66 %. Dennoch ist das kein Grund, zufrieden zu sein, denn in zwei Kategorien sind Finanzdienstleister schwächer als andere Branchen. Dies betrifft die Kundenorientierung (72 % vs. 77 %) und das Sozialverhalten (64 % vs. 69 %).

Abbildung 5: Unterschiedliche Erfolgsbewertungen in Abhängigkeit von Anstieg bzw. Absinken der Arbeitsbelastung („Engagierte“ vs. „doppelt Gestresste“)

2.2 Auswirkung der Qualität von Führung

Wesentliche Aspekte ethischer, unterstützender Führung sind das Einbeziehen der Mitarbeitenden in Entscheidungen, eine klare Orientierung über Ziele und Perspektiven, eindeutige Anweisungen zu Rollen und Aufgaben, Klarheit und Einigkeit bei Arbeits­prozessen, gleichwertige Beteiligung aller Teammitglieder und Dezentralisierung von Entscheidungen, sodass Entscheidungen dort fallen, wo die besten Informationen dafür vorliegen. Da mit der Unternehmensgröße die Bewertungen der Zusammenarbeit im Team und der Qualität der Führung stark variieren, wurden die Einzelbewertungen für die folgenden Berechnungen „größenkorrigiert“, also der Einfluss der Unternehmensgröße aus der Berechnung der Effekte als Kovariate herausgerechnet (vgl. Abbildung 5 und Abbildung 6). Eine derartige unterstützende Führung, die sich an solchen Werten orientiert, verringert die krisenbedingte Arbeitsbelastung deutlich und verbessert die Erfolge von Teamarbeit. Wie in Abbildung 6 (links) zu sehen ist, sinkt die erlebte Belastung, je stärker die Führung als unterstützend erfahren wird, und gleichzeitig steigt der Teamerfolg. Hier sind Finanzdienstleister in allen Führungskategorien besser als andere Branchen – mit Ausnahme der Werte für hierarchiebetonte Führung (Abbildung 6, rechts).

Abbildung 6: Geringerer Anstieg der krisenbedingten Anstrengung und stärker positive Selbsteinschätzung bei ethischer, unterstützender Führung (links); Branchenvergleich der Kategorien guter Führung (rechts, Zustimmung in %)

Die Anstrengung bei der Arbeit nimmt also während der Krise zu, vor allem im Hinblick auf die Arbeit im Team. Doch während sich in allen Branchen mit der Zunahme von Anstrengung auch die Führungs- und Erfolgsbewertungen verbessern, ist es bei den Finanzdienstleistern genau umgekehrt: Mit Zunahme der Anstrengung verschlechtern sich die Bewertung der Führung und die Erfolgseinschätzung der Teams. Das gilt sowohl auf individueller als auch auf Teamebene. Dazu haben wir die Selbstein­schätzung der Teams zur Arbeitsqualität, Innovationsfähigkeit und Kundenorientierung erfragt und Aussagen zu Verhaltensweisen in der Kommunikation, Koordination und Leitung von Teams bewerten lassen, die nachweislich wissenschaftlicher Studien zu einer erfolgreichen Teamarbeit beitragen (vgl. Abbildung 7).

Abbildung 7: Vergleich von verringerter und erhöhter Anstrengung auf individueller (links) und Teamebene (rechts); Zunahme der Anstrengung erhöht den Teamerfolg (Zustimmung in %) in allen Branchen, verringert ihn aber in der Finanzdienstleistung (FDL)

Stimmt also das Vorurteil, dass man Geld am besten mit wenig Anstrengung, also „im Schlaf“ verdient? Natürlich nicht. Es zeigt sich aber eins: Eine komplexe, personennahe Dienstleistung wie die Finanzdienstleistung ist besonders anfällig für Veränderungen in der Arbeitsbelastung. Psychologische Untersuchungen zeigen: Höherer Stress, z. B. durch Fördern von Konkurrenz, führt bei einfachen, eher langweiligen Aufgaben dazu, dass Aufmerksamkeit und Konzentration zunehmen und dadurch die Leistung besser wird. Bei komplexen geistigen Anforderungen hingegen wirkt Stress leistungshemmend. Der Erfolg ist höher, wenn komplexe Aufgaben mit mehr Ruhe erledigt werden können. 

Bei weniger Stress zeigen Mitarbeitende im Hinblick auf komplexe Finanzdienstleistungen somit bessere Ergebnisse. Es scheint so zu sein, dass Veränderungen durch die Coronakrise im Bereich Finanzdienst­leistung mehr noch als in anderen Branchen die Voraussetzungen für gute Arbeit gefährden. Der Arbeitsalltag in der Coronakrise bringt also eine Doppelbelastung durch mehr individuelle und Team­anstrengung mit sich. Die hohe Anstrengung ist aber auf Dauer nicht durchzuhalten und führt auch nicht zu mehr Erfolg. Obwohl sich nach Auskunft der Befragten die Leistungsanforderungen während der Krise nicht geändert haben, steigen der mentale, technische und zeitliche Koordinationsaufwand bei der Arbeit. Teamarbeit wird bei den befragten Finanzdienstleistern also eher als Belastung gesehen und nicht als Entlastung und Erfolgsbasis.

  • Führung als Schutzschirm ausbauen. Führung ist bei Finanzdienstleistern im Vergleich zu anderen Branchen sehr hierarchiebetont (vgl. Abbildung 5 rechts). Sie wird jedoch insgesamt als gut und unterstützend erlebt (vgl. Abbildung 5 links). Gute Führung übt damit eine wichtige Schutzfunktion aus und hilft den Teams, erfolgreich zu arbeiten. Sie bildet eine wichtige Basis für hohe Krisenfestigkeit und reduziert das Erleben von Belastung. Gute Führung bedeutet bei Finanzdienstleistern nicht vorrangig den Abbau von Hierarchien, sondern Beteiligung aller Team­mitglieder, Erarbeiten gemeinsamer Ziele und Klarheit über Rollen- und Aufgabenteilung. 
  • Teamarbeit entlasten. Mehr Anstrengung in der Teamarbeit ist meistens ein Zeichen schlechter Koordination sowie mangelhafter Rahmenbedingungen und führt daher oft nicht zum Erfolg. Technische Unterstützung von Teams, interne Koordination über Team- und Abteilungsgrenzen hinweg sowie sicher eingeübte Teamroutinen entlasten auch in Krisenzeiten, sodass sich Team­mitglieder auf Erfolg versprechende Aufgaben konzentrieren können.
  • Menschenorientierung stärken. Finanzdienstleister stehen nicht nur in der Bewertung ihrer Führungsarbeit besser da als andere Branchen, sondern auch in fast allen anderen erhobenen Erfolgs­kriterien. Finanzdienst­leistungen sind stark von komplexen Zahlen und technischen Abläufen geprägt. Diese Themen beherrschen aber fast alle Unternehmen mehr oder weniger gut. Der eigentliche Erfolg hängt also von der Kunden- und Mitarbeiterorientierung ab. Und genau da haben Finanzdienstleister noch Nachholbedarf. 

3 Schritte zur erfolgreichen Umsetzung

New Work bietet die Chance, genau im Bereich Kunden- und Mitarbeiter­orientierung aufzuholen. Von Vorteil ist dabei, dass die meisten Arbeiten in der Finanzdienstleistung besonders gut für flexible Arbeitsformen geeignet sind. Fachleute schätzen, dass mehr als ein Drittel aller Jobs von zu Hause erledigt werden können: Verwaltungs- und Management­tätigkeiten sowie viele technische Dienste zu über 80 %, Beschäftigungen im Bildungsbereich zu über 70 % und in der Lager- und Logistikbranche zu ca. 25 %.23 Weitgehend ungeeignet für Homeoffice sind Tätigkeiten in der Gesundheitsversorgung und in der Landwirtschaft. Wenn es also um „Wissensarbeit“ geht, die gut zeitlich, räumlich und methodisch flexibel geleistet werden kann, stehen verschiedene Formen der Flexibilisierung zur Verfügung (vgl. Tabelle 2).

Die meisten der hier genannten Flexibilisierungsaspekte beruhen auf einem Design des Arbeitsumfelds, das sich nicht an einzelnen Personen, sondern an verschiedenen Aktivitäten und an Teamarbeit orientiert (vgl. Abbildung 1). Studien, die einen längeren Zeitraum erfassten, zeigen, dass räumliche Flexibilität am Arbeitsort von Mitarbeitenden nicht unbedingt begrüßt wird. Fast 70 % suchen immer denselben Arbeitsplatz auf und verlassen diesen nur ungern.24 Eine ständige Neuzuweisung oder Suche nach Arbeitsplätzen, die zur jeweiligen Aktivität passen, stören auf Dauer die Konzentration der einzelnen Mitarbeitenden sowie die Koordination und das Zusammengehörigkeitsgefühl im Team.25 Hier tut sich ein Zwiespalt auf: Auf der einen Seite wird ein individueller Arbeitsplatz bevorzugt, was das Zugehörigkeits­gefühl zur Organisation stärkt. Auf der anderen Seite bewirken Einzelbüros tendenziell soziale Isolierung und behindern damit Austausch und Zusammenarbeit.


3.1 Best Practices zur Umsetzung von New Work

In vielen Büros ist die Technik für Videokonferenzen und verteilte Arbeit an Dokumenten, „shared workspaces“, bereits vorhanden, wird aber bisher wenig genutzt. Heimarbeit fand früher höchstens an ein oder zwei Tagen in der Woche statt, nun muss im Hinblick auf Homeoffice alles auf einmal neu strukturiert werden: Tagesablauf, Arbeitseinteilung und ‑aufteilung sowie Dokumentenablage und ‑austausch. Am schwierigsten bei der Etablierung virtueller Teams ist aber die Führung auf Distanz:26 Führungskräfte haben keine Erfahrung damit, wie rein virtuelle Teams, die sich über lange Zeit nicht sehen, geführt und begleitet werden können. Für erfolgreiche Teamarbeit müssen daher die Voraussetzungen stimmen. Das betrifft Systeme, Prozesse, aber auch die Mitarbeitenden selbst. Die folgende Auflistung gibt dazu einen Überblick.

Systeme und Prozesse

  • Technologie unterstützt virtuelle Teamarbeit
  • Verfügbarkeit von ausreichenden Ressourcen, um virtuelle Teams zu unterstützen
  • Leistungsmanagementsystem so einrichten, dass es Kooperationsleistung fördert
  • Belohnungs-/Anreizsysteme passend für virtuelle und hybride Teams
  • Systeme und Kennziffern, um virtuelle Teams und deren Führung zu bewerten

Menschen

  • Teamleitung und Teammitglieder verfügen über die notwendigen Fähigkeiten, um zu arbeiten
  • Praxisleitlinien, die helfen, Führung und Mitglieder virtueller und hybrider Teams abhängig von den jeweiligen Erfordernissen auszuwählen
  • Kompetenzbasierte Trainings für virtuelle Teams
  • Führungskräfte kennen und unterstützen virtuelle Teamarbeit
  • Technologiebasierte Schulungen für virtuelle Teams

Wirksame Schulungen sollten selbstverständlich online, also in virtuellen, ggf. auch hybriden Teams, stattfinden. Virtuelle Teams brauchen zu Beginn der Zusammenarbeit vor allem Hilfe bei der Tages- und Teamstrukturierung sowie bei der Techniknutzung. Führungskräfte sollten ein Self-Assessment zur „Virtuellen Führung“ nutzen, um sich selbst besser einschätzen zu können. Zudem sollten Probleme und Erfolgsfaktoren virtueller Teams benannt, Fallbeispiele und Online­übungen zu Teamzusammenstellung, kritischen Teamsituationen und Performance­steigerung bearbeitet werden. Weitere wesentliche Trainingsbestandteile sind die Vorbereitung und Durchführung virtueller Meetings sowie Onboarding und Nachfolge bzw. Nachbesetzung virtueller Teams. 


3.2 Teamführung und New Work

Selbst erfahrene Teamführungskräfte sind mit der Leitung hybrider oder rein virtueller Teams oft überfordert. Psychologische Studien erklären, warum das so ist: Virtuelle Teams sind „minimale Gruppen“, in der allein die (oft willkürliche) Gruppenzugehörigkeit die Team­identität bestimmt. In solchen Gruppen kommt es schnell zur Polarisierung und zum Entstehen von Subgruppen. Andere Teammitglieder werden dann nicht als Individuum, sondern in erster Linie als Zulieferer gesehen und daher bei Fehlern oder Verzögerungen schnell kritisiert. Dadurch schaukeln sich Konflikte auf.27 Neben einem ungünstigen Umgang untereinander sind auch die Nutzung und Akzeptanz der Technik in virtuellen Teams oft ein Problem. Hauptgrund zur Ablehnung neuer Technik sind unzureichende Fähigkeiten, die zum Gefühl der Hilflosigkeit führen: Wenn man mit der Technik nicht vertraut ist und z. B. der Abgabetermin immer näher rückt, versagen die Nerven. Ein anderes, zunächst weniger offensichtliches Problem der Technikakzeptanz ist, dass Technik oft aus unterschiedlichen Gründen akzeptiert und genutzt wird, was ebenfalls zu Konflikten führen kann: Beispielsweise sehen Teams Austauschplattformen als Möglichkeit für berufliche und private Kommunikation, während Führungskräfte sie eher als Möglichkeit zur Strukturierung und Kontrolle nutzen wollen. Tabelle 3 gibt eine Übersicht über Best Practices für erfolgreiche Leitung virtueller Teams.

Führungspraxis/
Best Practice
Verhalten/Aktivitäten
Aufbau und Erhalten von Vertrauen

Kommunikationsregeln und Verhalten klarstellen (z. B. positiver Sprachstil, keine Schuldzuweisung), positives Verhaltensbeispiel geben, Verstöße sofort benennen und Änderung einfordern

Bisherige Kommunikations- und Austauschgewohnheiten prüfen und umstellen (z. B. morgendliches Onlineteammeeting, explizite Agenda für Meetings, informeller Austausch z. B. durch „virtuellen Kaffeeklatsch“)

Informations- und Dokumentenaustausch gleichberechtigt und transparent organisieren (z. B. SharePoint statt E-Mail, generell E-Mails vermeiden und Messenger nutzen)

Verantwortung und Nachteile gleich verteilen (Zuständigkeiten klären und einhalten, Bildung von Subgruppen verhindern, auf gleichmäßige Belastung insbesondere bei Deadlines achten)
Klärung und Nutzung verschiedener Teamrollen

Vorhandene Expertise auch außerhalb der bisherigen Berufsrollen erkennen und nutzen (z. B. Erfahrungen aus dem Freizeitbereich)

Wissens-, handlungs- und kommunikationsorientierte Teamrollen gezielt besetzen und im Team rotieren

Unklarheiten ausräumen, aber Unsicherheiten und Meinungsunterschiede aushalten und nicht unterdrücken
Etablierung neuer Arbeits- und Meetingstrukturen

Divergente Ideen/Vorschläge (z. B. Brainstorming) asynchron vor Meetings, Konvergenz (Konsens/Konsent herstellen) synchron während Meeting

Jedes virtuelle Treffen auch zur Stärkung der sozialen Beziehungen nutzen (z. B. kurze Feedbackrunde zu Beginn und am Ende)

Während Meetings Aufmerksamkeit und Teilnahme sicherstellen, z. B. durch Nachfragen und Bitte um Ergänzung bei Personen, die sich nicht aktiv beteiligt haben

Am Ende des Meetings Dokumentation und „To-do-Liste“ für das gesamte Team sichtbar und zugreifbar zur Verfügung stellen (nicht nur per E-Mail versenden)
Überprüfung und Unterstützung der Teamentwicklung

Schriftliche Kommunikation synchron (z. B. Messenger) und asynchron (z. B. Message Boards) auf Konflikte und Abweichungen prüfen und intervenieren

Gemeinsame Fortschritte und Arbeitsergebnisse sichtbar machen (z. B. Scorecard, Projektfortschrittsbericht oder Maßnahmenverfolgung) und Fokus auf positives Feedback legen
Sichtbarkeit und Zusammengehörigkeit des Teams
Fortschritte und Ergebnisse dokumentieren und kommunizieren, Austausch mit Stakeholdern und Aufmerksamkeit/Feedback des (Top-)Managements sicherstellen
Stärkung individueller Teammitglieder

Dafür sorgen, dass alle Teammitglieder von der Teamarbeit profitieren, persönliche Beiträge ausreichend honorieren (z. B. Erwähnung bei Meetings, Teampunkte, Onlinezeremonie)

Bei Zugehörigkeit zu verschiedenen Teams und/oder Bereichen sicherstellen, dass alle Führungskräfte die individuelle Leistung kennen und anerkennen

Tabelle 3: Best Practices für Führung in „New Work“-Umgebungen

3.3 Schlussfolgerung und Ausblick

Teammitglieder und -führung brauchen also Unterstützung, um erfolgreich mit der Flexibilität und den Anforderungen von „New Work“ umgehen zu können. Vor allem Interventions­techniken sollten mit Führungskräften und Teammitgliedern geübt werden: Selbststeuerung in offenen, virtuellen Arbeitsumgebungen, Einzelpersonen oder das ganze Team auf Abweichungen oder Fehler ansprechen, Umgang mit Konflikten und Beleidigungen – synchron, z. B. während eines Meetings, und asynchron, z. B. in Message Boards. Oft gelingt dies besser, wenn nicht nur einmal Trainings durchgeführt werden, sondern dauerhaft (Online-)Coaches die Teams unterstützen.

Die Coronakrise verändert das Arbeits- und Sozialverhalten – ob zum Guten oder Schlechten, hängt vor allem vom Verhalten der Unternehmen ab. Die Qualität der Arbeitsergebnisse in zeitlich und räumlich flexibel arbeitenden Teams wird – anders als in herkömmlichen Präsenzteams – weniger von einem Zusammen­gehörigkeits­gefühl als von gleich­berechtigtem Informations­austausch und guter Koordination der Rollen und Aufgaben bestimmt. „New Work“-Teams brauchen mehr Zeit, gemeinsame Routinen und Werte zu entwickeln und benötigen mehr Aufwand zu deren Aufrechthaltung. Dennoch zeigen Untersuchungen: Wenn die Voraussetzungen stimmen, können Mitarbeitende durch „New Work“ produktiver und zufriedener sein als in herkömmlich arbeitenden Teams.

Der Digitalisierungsschub stellt nicht nur alte Überzeugungen zur Präsenzarbeit infrage, sondern auch Konzepte zur Kundenberatung. Dabei stehen oft die Neugestaltung oder das Zusammenlegen von Filialen im Fokus. Es gibt faszinierende Konzepte für Kunden- und Beratungszentren, beispielsweise die Integration von Bankfilialen in Indoorparks oder Shoppingmalls. Dies mag für Kunden attraktiv sein, als Arbeitsplatz sind solche Orte eher ungeeignet. Auch hier hilft es, sich an dem Motto „,Bricks, Behavior, Bytes & Brave“ zu orientieren: Gestalterische Pläne müssen sich auf die Ziele und Aktivitäten der Menschen beziehen, die die Räumlichkeiten nutzen, d. h. auf Kunden und Mitarbeitende. Es empfiehlt sich, verschiedene Entwurfsvarianten zu erstellen und die Menschen, die es betrifft, aktiv in die Planung einzubeziehen. Denn schon die Planung von „New Work“ ist ein Stück New Work mit starker Mitarbeiter- und Kundenorientierung.

Abbildung 8: Trendthemen für „New Work“

Zusammengefasst ergibt sich ein Bild, welche Trends sich für „New Work“ bei Finanz­dienstleistern abzeichnen (vgl. Abbildung 8). Die gezielte Einführung von zeitlich flexibler und mobiler Arbeit ist mehr als „Arbeit von zu Hause“, nämlich ein ganzes Programm, das die Anpassung von Arbeitsumgebungen, ‑prozessen und ‑anforderungen sowie Führungsverhalten erforderlich macht. Doch nicht nur Arbeitsorte und ‑abläufe werden flexibler, sondern die gesamte Organisation braucht mehr Flexibilität, um sich an wechselnde Ansprüche anpassen zu können, ohne die Mitarbeitenden dabei zu überfordern. Hier werden größere Anstrengungen für die Nutzung von Vielfalt in den Unternehmen und zur Herstellung von Geschlechter­gerechtigkeit nötig sein. Denn gesuchte Talente werden sich nur an die Organisationen wenden, die hohe Ansprüche an gesellschaftliche Verantwortungsübernahme erfüllen und darüber hinaus individuelle Entwicklungs­möglichkeiten und Work-Life-Balance bieten.

Über den Autor

Joachim Hasebrook studierte Psychologie und Informatik, promovierte in Psychologie, habilitierte sich in angewandter Informatik und erhielt eine Managementausbildung in den USA. Nach dem Studium entwickelte er Expertensysteme für die Berufsberatung und war für Bildungsprogramme sowie E-Learning-Angebote bei Frankfurter Großbanken verantwortlich. Er gründete eine Firma für künstliche Intelligenz und war akademischer Leiter einer internationalen Medienschule. Heute ist er Professor an der Steinbeis-Hochschule Berlin und Berater bei zeb.