Dr. Patrick Tegeder
Fusionen deutscher Regionalbanken – strategischer Erfolgsfaktor in Krisen?
Abbildung 1: Entwicklung der Betriebsergebnisse in den Jahren 2015 bis 2023
Abbildung 2: Entwicklung der Kundeneinlagen und Kundenkredite im Zeitraum 2020 bis 2023
3 Betriebsgröße und Wachstum als existenzielle Grundlage zur Sicherung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit
3.1 Organisches Wachstum
Nachdem in den vergangenen Jahren aufgrund der Niedrigzinsen die Erträge aus den Passiva sowie infolge der vergleichsweise flachen Zinsstrukturkurve Teile der Strukturbeiträge weggebrochen waren, stellte sich für viele Regionalbanken die Frage nach alternativen Ertragsquellen im Provisionsgeschäft sowie nach Effizienzpotenzialen, um die Kosten deutlich zu senken. Die Abbildung 1 verdeutlicht, dass die Kosten in beiden Sektoren im Zeitraum von 2015 bis 2022 deutlich um ca. 48 BP zurückgegangen sind, während das Provisionsergebnis um 12 bzw. 4 BP gesteigert werden konnte.
Unabhängig von Überlegungen, wie man die Zukunft eigenständig gestalten kann, rückte aufgrund des Ergebnisdrucks das Thema „Fusion“ zunehmend auf die Agenda vieler Vorstände sowie Aufsichts- und Verwaltungsräte. Denn nach den Kosteneinsparungen der vergangenen Jahre war absehbar, dass weitere Einsparungen auf Dauer nur durch Eingriffe in die Geschäftsmodelle der Regionalbanken möglich wären. Hinzu kam, dass aufgrund der sich abzeichnenden Demografie weitere Kostenreduktionen sehr schnell an ihre Grenzen stoßen und mit Blick in die Zukunft immer mehr Kopfmonopole bzw. vakante Stellen in Schlüsselpositionen (Fachkräfte in Vertrieb und Betrieb, Gesamtbanksteuerung, Regulatorik, Compliance etc.) zu erwarten sein würden.
Darüber hinaus wurde die Fragestellung nach möglichen Zusammenschlüssen maßgeblich von der Einschätzung getrieben, welches Marktpotenzial die Regionalbanken in ihren Geschäftsgebieten erwarten und inwieweit die Sparkassen und Genossenschaftsbanken in ihren Märkten perspektivisch weiter eigenständig wachsen können.
Abbildung 3: Marktpotenziale und Ausschöpfung der Sparkassen im Privatkundengeschäft
Untersuchungen von zeb zeigen, dass beispielsweise Sparkassen im Privatkundengeschäft im Durchschnitt Marktanteile von ca. 20 % aufweisen. Die Höhe der Potenziale und die Ist-Marktausschöpfung in den einzelnen Geschäftsgebieten schwanken allerdings von Region zu Region erheblich.
Daher stand bei Fusionsüberlegungen neben dem Thema „Effizienzgewinne durch Kosteneinsparungen“ vor allem auch die Stabilisierung der Ertragsseite im Mittelpunkt der Betrachtungen.
3.2 Anorganisches Wachstum
Die Entwicklungen in den vergangenen 20 Jahren zeigen, dass die Anzahl der Genossenschaftsbanken auf 733 und die der Sparkassen auf 362 Institute zurückgegangen ist (vgl. Abbildung 4). Gleichzeitig ist die durchschnittliche Bilanzsumme bei den Volksbanken auf ca. 1,6 Mrd. EUR und bei den Sparkassen auf etwa 4,4 Mrd. EUR gestiegen.
Abbildung 4: Entwicklung von Anzahl und Bilanzsumme der Sparkassen und Genossenschaftsbanken
Diese Zahlen verdeutlichen, dass sich die Konzentrationstendenz bei den Regionalbanken in den vergangenen Jahren weiter verstärkt hat. Auffällig ist weiterhin, dass sich Fusionen sowohl bei Sparkassen als auch Genossenschaftsbanken in Zyklen häufen – allerdings mit unterschiedlicher Intensität (vgl. Abbildung 5).
Abbildung 5: Anzahl der Fusionen im Zeitraum 2002 bis 2022
Zu beobachten ist, dass die Anzahl der Fusionen nach der Finanzkrise 2009 deutlich zurückgegangen ist, aber in den Jahren 2016 und 2017 sowie 2021 und 2022 wieder sichtlich zugenommen hat. Aufgrund des Ergebnisdrucks durch die Niedrigzinsphase hat sich der Konzentrationsprozess in den vergangenen Jahren damit wieder enorm beschleunigt.
In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, welche betriebswirtschaftlichen Erfolge Fusionen der vergangenen Jahre – vor allem auch in Zeiten der niedrigen Zinsen – nach sich gezogen haben.
Abbildung 6: Veränderungen der Betriebsergebnisse nach Fusionen
Treiber der Ergebnissteigerungen nach Fusionen waren zum einen deutliche Kosteneinsparungen. 68 % der untersuchten Institute konnten im Betrachtungszeitraum ihre Kosten im Vergleich zur Peergroup überproportional reduzieren, wobei die überwiegende Anzahl der Banken und Sparkassen – bedingt durch die vor allem in den ersten beiden Jahren nach einer Fusion anfallenden Fusionskosten – Werte im Bereich von bis zu 15 BP aufwies (vgl. Abbildung 7). 22 Banken konnten ihre Kosten sogar um bis zu 30 BP und 8 Institute in den ersten drei Jahren um mehr als 30 BP zurückfahren.
Unabhängig von Kostensenkungen konnten mehr als 60 % der untersuchten Banken und Sparkassen die Erträge in den ersten drei Jahren in Teilen sogar deutlich steigern; 39 % wiesen Zunahmen der Ertragsspannen um bis zu 15 BP, 14 % um bis zu 30 BP und 8 % sogar um mehr als 30 BP aus.
Abbildung 7: Auswirkungen von Fusionen auf Kosten- und Erträge
5 Zusammenfassung und Ausblick
Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass der Druck auf die Betriebsergebnisse der Kreditgenossenschaften und Sparkassen vor allem durch die Unsicherheiten an den Geld- und Kapitalmärkten sowie die steigenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen weiter zunehmen wird.
Die konsequente Erschließung der Ertragspotenziale in den jeweiligen Geschäftsgebieten bleibt daher für Regionalbanken die erste Priorität jeder Managementagenda.
Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass eine überwiegende Anzahl der Fusionsinstitute die Ergebnisse in den ersten drei Jahren nach einer Fusion, trotz der anfallenden Fusionskosten, in Teilen deutlich steigern konnte.
Treiber von Fusionen werden mit Blick in die Zukunft vor allem die Auswirkungen des Mangels an geeigneten Arbeitskräften durch die demografischen Effekte sein.
Der Engpass an qualifizierten Mitarbeitenden wird nachhaltig bestimmen, ob die flächendeckende Präsenz und Versorgung der Bevölkerung und damit die DNA der Regionalbanken weiter aufrechterhalten werden kann. Die zunehmende Digitalisierung wird an dieser Stelle nur in Teilen helfen, denn der Vertrieb in der Fläche wird auch weiterhin maßgeblich durch die Mitarbeitenden der Sparkassen und Genossenschaftsbanken geprägt werden. Sollten diese durch Fluktuation nicht mehr hinreichend zur Verfügung stehen, wird die Anzahl der Fusionen aufgrund von Engpässen in Schlüsselpositionen und Kopfmonopolen sowie durch überproportionale Belastungen der bestehenden Mitarbeitenden deutlich steigen. Damit wird der Mitarbeiterengpass zum Zukunftstreiber von Fusionen.

Über den Autor
Dr. Patrick Tegeder ist Partner bei zeb und gehört zu den Gründungsgesellschaftern des Unternehmens. Er leitet vor allem strategische Projekte bei Banken, Sparkassen, Bausparkassen, Dienstleistungsunternehmen und Wertpapierspezialisten. Sein thematischer Fokus liegt im Bereich von Fragen zur strategischen Neuausrichtung, Fusionen und Restrukturierungen – dies zum Teil mit hoher öffentlicher Aufmerksamkeit. Darüber hinaus begleitet er Projekte zur Weiterentwicklung der Risikotragfähigkeit sowie zur Umsetzung von Prozessoptimierungen in Vertriebs- und Betriebseinheiten.