Dr. Patrick Tegeder

​Fusionen deutscher Regionalbanken – strategischer Erfolgsfaktor in Krisen?

1 Vorbemerkungen und Gegenstand der Untersuchungen

Anknüpfend an eine Veröffentlichung des Autors aus dem Jahr 2016 wird im Folgenden der Erfolg von Zusammenschlüssen im Bereich der Sparkassen und Genossen­schafts­banken bis zum Jahr 2023 untersucht. Die Ergebnisse beruhen auf der Fusionsstudie von zeb aus dem Jahr 2024. Berücksichtigt werden Zusammen­schlüsse in den Jahren 2015 bis 2019 und deren Entwicklungen in den ersten drei Jahren nach der rechtlichen Fusion. Aufsetzpunkt der jeweiligen Betrachtung ist dabei der erste Bilanzstichtag vor der rechtlichen Fusion (Addition der Einzel­häuser). Als Vergleichsgruppe wurden Institute im jeweiligen Sektor mit ähnlichen Größenklassen der Fusionsinstitute herangezogen.

Untersucht wird die Entwicklung der Betriebsergebnisse vor Bewertung nach Fusion im Vergleich zu den Peergroup-Instituten. Dabei spiegelt die Differenz der Entwicklung der Fusionsbanken und dem Median der Peergroup in den identischen Zeitscheiben die Über-/Unterperformance der Fusionsbanken wider.

Insgesamt wurden 109 fusionierte Kreditinstitute in die Betrachtung miteinbezogen; davon 90 Genossen­schafts­banken sowie 19 Sparkassen. Nicht Gegenstand der Betrachtung waren Institute mit einer durch­schnittlichen Bilanz­summe nach Fusion von kleiner 500 Mio. EUR, Fusionen, in denen das übernehmende Institut mehr als 5‑mal so groß war wie das kleinere Partnerinstitut, sowie Fälle, in denen sich mehr als zwei Institute zusammen­geschlossen haben.

2 Ausgangssituation

Die Betriebsergebnisse der Genossen­schafts­banken und Sparkassen sind in den vergangenen Jahren aufgrund der Niedrigzinsphase nachhaltig unter Druck geraten. Im Durchschnitt gingen die Ergebnis­spannen vor Bewertung bis zum Jahr 2021 auf 0,55 % bzw. auf 0,71 % der DBS zurück (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Entwicklung der Betriebsergebnisse in den Jahren 2015 bis 2023

Auffällig ist, dass die Genossenschaftsbanken im Jahr 2021 ca. 16 BP höhere Ergebnisse als die Sparkassen aufwiesen. Die genossen­schaft­lichen Institute scheinen damit tendenziell besser durch die Niedrig­zinsphase gekommen zu sein als die Sparkassen. Eine wesentliche Ursache hierfür liegt – u. a. aufgrund größerer Wachstums­raten im Kredit­geschäft – vor allem in dem höheren Zinsüberschuss, bei nahezu identischen Kostenstrukturen und damit größerer Produktivität (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Entwicklung der Kundeneinlagen und Kundenkredite im Zeitraum 2020 bis 2023

Der in den Jahren 2022 und 2023 erfolgte Zinsanstieg führte in beiden Sektoren zu in Teilen „galoppierenden“ Zinsüberschüssen (plus 25 % allein in 2023). Ursächlich für diese Entwicklung waren vor allem die „wiedergewonnene“ Werthaltigkeit des Passivgeschäfts sowie ein signifikanter Anstieg der Wertzuwächse aus den bis dahin zur Zins­sicherung eingesetzten Derivaten. Aufgrund der durch den rasanten Zins­anstieg verursachten Abschreibungs­notwendigkeiten im Wert­papier­geschäft gerieten die Betriebs­ergebnisse nach Bewertung in Teilen erheblich unter Druck. Diese Lage entspannte sich allerdings nach einer leichten Abflachung der Geld- und Kapitalmarkt­zinsen Ende 2023 wieder etwas. Insgesamt führte der Zinsanstieg sowohl bei den Sparkassen als auch den Genossen­schafts­banken zu einer deutlichen Verbesserung der Ergebnissituation.

3 Betriebsgröße und Wachstum als existenzielle Grundlage zur Sicherung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit

3.1 Organisches Wachstum

Nachdem in den vergangenen Jahren aufgrund der Niedrigzinsen die Erträge aus den Passiva sowie infolge der vergleichs­weise flachen Zinsstrukturkurve Teile der Strukturbeiträge weggebrochen waren, stellte sich für viele Regionalbanken die Frage nach alternativen Ertragsquellen im Provisions­geschäft sowie nach Effizienz­potenzialen, um die Kosten deutlich zu senken. Die Abbildung 1 verdeutlicht, dass die Kosten in beiden Sektoren im Zeitraum von 2015 bis 2022 deutlich um ca. 48 BP zurückgegangen sind, während das Provisions­ergebnis um 12 bzw. 4 BP gesteigert werden konnte.

Unabhängig von Überlegungen, wie man die Zukunft eigenständig gestalten kann, rückte aufgrund des Ergebnisdrucks das Thema „Fusion“ zunehmend auf die Agenda vieler Vorstände sowie Aufsichts- und Verwaltungsräte. Denn nach den Kosteneinsparungen der vergangenen Jahre war absehbar, dass weitere Einsparungen auf Dauer nur durch Eingriffe in die Geschäfts­modelle der Regional­banken möglich wären. Hinzu kam, dass aufgrund der sich abzeichnenden Demografie weitere Kostenreduktionen sehr schnell an ihre Grenzen stoßen und mit Blick in die Zukunft immer mehr Kopfmonopole bzw. vakante Stellen in Schlüssel­positionen (Fachkräfte in Vertrieb und Betrieb, Gesamtbanksteuerung, Regulatorik, Compliance etc.) zu erwarten sein würden.

Darüber hinaus wurde die Fragestellung nach möglichen Zusammen­schlüssen maßgeblich von der Einschätzung getrieben, welches Markt­potenzial die Regional­banken in ihren Geschäftsgebieten erwarten und inwieweit die Sparkassen und Genossenschaftsbanken in ihren Märkten perspektivisch weiter eigenständig wachsen können.

Abbildung 3: Marktpotenziale und Ausschöpfung der Sparkassen im Privatkundengeschäft

Untersuchungen von zeb zeigen, dass beispielsweise Sparkassen im Privat­kunden­geschäft im Durchschnitt Marktanteile von ca. 20 % aufweisen. Die Höhe der Potenziale und die Ist-Marktausschöpfung in den einzelnen Geschäftsgebieten schwanken allerdings von Region zu Region erheblich. 

Daher stand bei Fusionsüberlegungen neben dem Thema „Effizienz­gewinne durch Kosteneinsparungen“ vor allem auch die Stabilisierung der Ertragsseite im Mittelpunkt der Betrachtungen.

3.2 Anorganisches Wachstum

Die Entwicklungen in den vergangenen 20 Jahren zeigen, dass die Anzahl der Genossenschafts­banken auf 733 und die der Sparkassen auf 362 Institute zurückgegangen ist (vgl. Abbildung 4). Gleichzeitig ist die durchschnittliche Bilanzsumme bei den Volksbanken auf ca. 1,6 Mrd. EUR und bei den Sparkassen auf etwa 4,4 Mrd. EUR gestiegen.

Abbildung 4: Entwicklung von Anzahl und Bilanzsumme der Sparkassen und Genossenschaftsbanken

Diese Zahlen verdeutlichen, dass sich die Konzentrationstendenz bei den Regional­banken in den vergangenen Jahren weiter verstärkt hat. Auffällig ist weiterhin, dass sich Fusionen sowohl bei Sparkassen als auch Genossen­schafts­banken in Zyklen häufen – allerdings mit unterschiedlicher Intensität (vgl. Abbildung 5).

Abbildung 5: Anzahl der Fusionen im Zeitraum 2002 bis 2022

Zu beobachten ist, dass die Anzahl der Fusionen nach der Finanzkrise 2009 deutlich zurückgegangen ist, aber in den Jahren 2016 und 2017 sowie 2021 und 2022 wieder sichtlich zugenommen hat. Aufgrund des Ergebnisdrucks durch die Niedrig­zins­phase hat sich der Konzentrations­prozess in den vergangenen Jahren damit wieder enorm beschleunigt.

In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, welche betriebs­wirtschaft­lichen Erfolge Fusionen der vergangenen Jahre – vor allem auch in Zeiten der niedrigen Zinsen – nach sich gezogen haben.

4 Auswirkungen von Fusionen auf die Ergebnisentwicklungen von Regionalbanken

Da die Bewertungsergebnisse im Wertpapier- und Kreditgeschäft in den vergangenen Jahren überwiegend der Gestaltung der ausgewiesenen Jahres­überschüsse dienten, betriebs­wirt­schaftlich aber keine Relevanz hatten, wird bei den weiteren Betrachtungen nur auf die Betriebs­ergebnisse vor Bewertung abgestellt.

Der Blick auf die Entwicklung der Betriebs­ergebnis­spannen zeigt, dass 58 % der Fusions­institute bessere Ergebnisse aufweisen als die Vergleichs­gruppe der nicht von Fusionen betroffenen Sparkassen und Genossen­schafts­banken (vgl. Abbildung 6). 52 der 109 Kredit­institute wiesen dabei Steigerungen von bis zu 0,30 Prozentpunkten in den ersten drei Jahren nach der Fusion auf; 11 Banken lagen sogar über 30 BP höher als die Vergleichs­gruppe.

Abbildung 6: Veränderungen der Betriebsergebnisse nach Fusionen

Treiber der Ergebnissteigerungen nach Fusionen waren zum einen deutliche Kosten­einsparungen. 68 % der untersuchten Institute konnten im Betrachtungs­zeitraum ihre Kosten im Vergleich zur Peergroup überproportional reduzieren, wobei die überwiegende Anzahl der Banken und Sparkassen – bedingt durch die vor allem in den ersten beiden Jahren nach einer Fusion anfallenden Fusionskosten – Werte im Bereich von bis zu 15 BP aufwies (vgl. Abbildung 7). 22 Banken konnten ihre Kosten sogar um bis zu 30 BP und 8 Institute in den ersten drei Jahren um mehr als 30 BP zurückfahren.

Unabhängig von Kostensenkungen konnten mehr als 60 % der untersuchten Banken und Sparkassen die Erträge in den ersten drei Jahren in Teilen sogar deutlich steigern; 39 % wiesen Zunahmen der Ertragsspannen um bis zu 15 BP, 14 % um bis zu 30 BP und 8 % sogar um mehr als 30 BP aus.

Abbildung 7: Auswirkungen von Fusionen auf Kosten- und Erträge

5 Zusammenfassung und Ausblick

Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass der Druck auf die Betriebs­ergebnisse der Kredit­genossenschaften und Sparkassen vor allem durch die Unsicherheiten an den Geld- und Kapitalmärkten sowie die steigenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen weiter zunehmen wird.

Die konsequente Erschließung der Ertrags­potenziale in den jeweiligen Geschäfts­gebieten bleibt daher für Regionalbanken die erste Priorität jeder Management­agenda.

Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass eine überwiegende Anzahl der Fusions­institute die Ergebnisse in den ersten drei Jahren nach einer Fusion, trotz der anfallenden Fusionskosten, in Teilen deutlich steigern konnte.

Treiber von Fusionen werden mit Blick in die Zukunft vor allem die Auswirkungen des Mangels an geeigneten Arbeitskräften durch die demografischen Effekte sein.

Der Engpass an qualifizierten Mitarbeitenden wird nachhaltig bestimmen, ob die flächen­deckende Präsenz und Versorgung der Bevölkerung und damit die DNA der Regionalbanken weiter aufrechterhalten werden kann. Die zunehmende Digitalisierung wird an dieser Stelle nur in Teilen helfen, denn der Vertrieb in der Fläche wird auch weiterhin maßgeblich durch die Mitarbeitenden der Sparkassen und Genossen­schafts­banken geprägt werden. Sollten diese durch Fluktuation nicht mehr hinreichend zur Verfügung stehen, wird die Anzahl der Fusionen aufgrund von Engpässen in Schlüsselpositionen und Kopf­monopolen sowie durch überproportionale Belastungen der bestehenden Mitarbeitenden deutlich steigen. Damit wird der Mitarbeiter­engpass zum Zukunftstreiber von Fusionen.

Über den Autor

Dr. Patrick Tegeder ist Partner bei zeb und gehört zu den Gründungsgesellschaftern des Unternehmens. Er leitet vor allem strategische Projekte bei Banken, Sparkassen, Bausparkassen, Dienstleistungsunternehmen und Wertpapierspezialisten. Sein thematischer Fokus liegt im Bereich von Fragen zur strategischen Neuausrichtung, Fusionen und Restrukturierungen – dies zum Teil mit hoher öffentlicher Aufmerksamkeit. Darüber hinaus begleitet er Projekte zur Weiterentwicklung der Risikotragfähigkeit sowie zur Umsetzung von Prozessoptimierungen in Vertriebs- und Betriebseinheiten.